Ernst Moritz Arndt

Chronik einer gescheiterten Schulumbenennung

29. September 1937: Das königliche Realgymnasium in Remscheid wird in Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium umbenannt. Studiendirektor Walter bezeichnet in seiner Rede Arndt als "begeisterten Freiheitshelden und Vorkämpfer für das Dritte Reich", in dem die Jugend ein "hinreißendes Beispiel von vaterländischer Begeisterung gefunden habe".

7. November 1988: Der damals 16-jährige Schüler des Remscheider Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums, Harry Luck, schreibt einen Brief an den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau und fordert ihn auf, sich für eine Umbenennung der Schule einzusetzen. Vor den Schülern der französischen Partnerstadt Quimper müsse man sich schämen, dass eine Schule nach einem Franzosenhasser wie Arndt benannt wurde. Der Schüler verweist in seinem Brief darauf, dass das frühere "Realgymnasium" erst von Nationalsozialsten den Namen Ernst Moritz Arndts bekam.

21. Dezember 1988: Ministerpräsident Rau antwortet dem Schüler Harry Luck und würdigt dessen "bemerkenswertes Engagement". Er wolle sich aber nicht in die Diskussion um die Namensgebung der Schule einsetzen. Er wolle keine Empfehlung vom "Grünen Tisch" geben, sondern den zuständigen Schulträger, die Stadt Remscheid, informieren. Außerdem informierte er den Kultusminister.

3. Januar 1989: Der Kultusminister antwortet dem Schüler und verweist darauf, dass auch in Bonn und Krefeld Schulen nach Ernst Moritz Arndt benannt sind. "Es handelt sich also nicht um das Problem einer einzelnen Schule."

April 1989: Die Schülerzeitung "quo vadis" befasst sich mit einem ausführlichen Artikel kritisch mit dem Namen der Schule, bringt antisemitische und franzosenfeindliche Zitate des Dichters und fordert die Umbenennung des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums.

August 1989: Schülerzeitung und Schülervertretung wollen gemeinsam an der Schule eine Umfrage starten, "ob ein Mann, der auf solche Weise den Fremdenhaß geschürt hat, dadurch verehrt werden darf, daß Schulen nach ihm benannt werden." Schuldirektor Dr. Spitzer hingegen macht von seinem Hausrecht Gebrauch und verbietet die Umfrage: Er wolle keinen Sturm im Wasserglas und lehne Schwarz-Weiß-Malerei ab. Die "problematische Person" Arndts sei nichts Neues.

September 1989: Schulleiter Dr. Spitzer kündigt eine Auseinandersetzung mit Arndt im Schulunterricht an. Die Geschichts- und Deutschlehrer sollen das Thema aufgreifen. Erst nach einer "historisch ausgewogenen Auseinandersetzung" könne eine Umfrage an der Schule stattfinden - aber nur mit Genehmigung des Kultusministers. Daraufhin wird an der Schule eine Arbeitsgruppe gebildet, in der sich Schüler und Lehrer wissenschaftlich und intensiv mit den Werken Arndts auseinandersetzen wollen.

Oktober 1991: Nach fast zweijähriger Arbeit schließt der "Arbeitskreis Ernst Moritz Arndt" seine Untersuchungen ab und veröffentlicht eine Broschüre mit dem Titel "Ernst Moritz Arndt - Anmerkungen zu einem Tabu". Darin werden Arndts Äußerungen sowie Bewertungen aus der Literatur dokumentiert. Die Arbeitsgruppe kommt zu dem Schluss: "Ernst Moritz Arndt ist als Namensgeber einer Schule ungeeignet. Die Arbeitsgemeinschaft empfiehlt, die Schule von diesem Namen zu entlasten" und schlägt als Alternative den 1989 gestorbenen Remscheider Künstler Gerd Arntz vor.

15. Oktober 1991: In einem Pressegespräch stellt die Arbeitsgruppe den Lokalzeitungen ihre Ergebnisse vor.

28. November 1991: In der Aula des EMA-Gymnasiums findet eine Podiumsdiskussion statt. Teilnehmer sind der Kölner Germanist Prof. Karl Otto Conrady, der Kölner Historiker Otto Dann und der Kulturjournalist Jürgen Feld. Eine hitzige Diskussion geht "an Thema und Ziel vobei", wie die Lokalzeitung feststellt. Die Debatte eskaliert in persönlichen und unsachlichen Attacken, wobei sich sogar der Schulleiter im Ton vergreift und Mitglieder der Arbeitsgruppe persönlich diffamiert. Prof. Conrady fordert die Schule auf, Arndt nicht zum Schutzpatron zu stilisieren. In den kommenden Wochen findet in den Leserbriefspalten der Lokalzeitungen eine Argumentationsschlacht von Gegnern und Befürwortern Arndts statt.

2. Dezember 1991: Die Fachkonferenz Religion verabschiedet mit großer Mehrheit eine Resolution, in der Arndt als Namensgeber für die Schule als "nicht haltbar" abgelehnt wird. Als Begründung wird unter anderem Arndts "heidnisch-atheistische" Agitation genannt, mit der zur Wirkungsgeschichte des Antisemitismus beigetragen wurde, "die in der Schoa des jüdischen Volkes gipfelte".

4. Februar 1992: Die Lehrerkonferenz spricht sich in einer sensationellen Abstimmung für eine Umbenennung der Schule aus. Die geheime Abstimmung ging nach Angaben des kommissarischen Schulleiters Sieker äußerst knapp aus. Nun sei die Schulkonferenz gefragt.

Frühjahr 1992: Die Schülervertretung stellt ein Stimmungsbild in der Schülerschaft her: Von 959 abgegebenen Stimmen sind 204 für eine Umbenennung, 640 dagegen. Kurz darauf entscheidet die Schulkonferenz, die sich aus 18 Lehrern, 9 Schülern und 9 Eltern zusammensetzt: Der Name bleibt. Die Entscheidung fällt mit 28 zu 8 Stimmen. In der Debatte schlagen die Emotionen hoch. Schulleiter Sieker spricht von einer "überzeugenden Mehrheit".

Im Jahr 2004/2005 kommt es zu einer neuen Diskussion an der Schule, in deren Folge sich eine breite Mehrheit von Schülern, Eltern und Lehrern - gegen den Widerstand z.B. des Vereins der Freunde und Förderer - in der Schulkonferenz für eine Umbenennung ausspricht.

14. Juni 2005: Die Schulkonferenz beantragt im Schulausschuss des Remscheider Stadtrats die Umbenennung der Schule in Gerd-Arntz-Gymnasium. Der Ausschuss gibt keine Empfehlung ab, die CDU sieht noch Beratungsbedarf. Lehrer Christoph Frielingsdorf sagt: "Wir sind der festen Überzeugung, dass der neue Name besser zu unserem Schulprogramm passt und wir endlich weg von dieser lähmenden Diskussion kommen."

27. Juni 2005: Der Stadtrat vertagt die Entscheidung und verlangt vom Schulausschuss eine Empfehlung.

6. September 2005: Der Schulausschuss empfiehlt dem Stadtrat, dem Umbenennungsantrag der Schulkonferenz nicht zu folgen. Die CDU will den Namen behalten, SPD und Grüne sind für einen neuen Namen. Die FDP enthält sich.

19. September 2005: Der Stadtrat vertagt wieder. Weil sich für Gerd-Arntz-Gymnasium keine Mehrheit findet, soll eine Namensfindungskommission einen neuen Namen für die Schule suchen.

20. Februar 2006: Die Schule geht mit einem neuen Namensvorschlag in den Stadtrat: Richard-von-Weizsäcker-Gymnasium. 29 Stadträte stimmen in geheimer Abstimmung gegen den neuen Namen, 27 dafür, 2 enthalten sich. In der Ratssitzung plädierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans Peter Meinecke in seiner Rede für einen neuen Namen.

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